Mädchen in ihrem Alter gehen normalerweise in die achte Klasse. Minu Dietlinde Tizabi aus Pforzheim hat schon das Abitur in der Tasche. Im Interview erklärt sie ihre Zukunftspläne: erst mal Medizin studieren.
Als Einjährige baute Minu Dietlinde Tizabi Figuren aus Überraschungseiern zusammen. Mit drei Jahren las sie selbst, vertiefte sich stundenlang in ihr Kinderlexikon und studierte Planeten-Konstellationen. Den Kindergarten besuchte sie nie. Ihr Vater kümmerte sich lieber selbst um das Kind, die Mutter starb, als Minu einen Monat alt war. Mit sechs Jahren wurde das Kind eingeschult - direkt in die dritte Klasse. Und jetzt, mit 14, hat das Mädchen am Hebel-Gymnasium Pforzheim ihr Abitur mit 1,0 bestanden.
MINU UND IHR ABI: "ICH BIN NICHTS BESONDERES"
815 von maximal 840 Punkten erreichte Minu. Sie selbst findet das gar nicht so bemerkenswert - mit 835 Punkten sei doch ihre Freundin Hanna, 18, viel besser gewesen. Manchmal machte der gravierende Altersunterschied zu ihren Mitschülern sich im Schulalltag schon bemerkbar. So wollten die Lehrer Minu nicht am Sportunterricht teilnehmen lassen. Die Begründung: Sie sei so klein und könnte von den anderen über den Haufen gerannt werden. Doch Minu saß in der Zeit nicht tatenlos rum - sie büffelte lieber Physik."Sie ist kein Wunderkind, sie ist ziemlich normal", sagte ihr Vater Djamshid Tizabi der "Bietigheimer Zeitung". Der selbstständige Diplom-Ingenieur für Quantenelektronik stammt aus Iran und will auch in Zukunft in der Nähe seiner Tochter bleiben.
SPIEGEL: Minu, wie geht das: Abitur mit 14?
Tizabi: Ich habe vier Klassen übersprungen. Mit sechs wurde ich gleich in die dritte Klasse eingeschult, weil ich schon lesen konnte und unterfordert war. Und auf dem Gymnasium war nach drei Wochen klar: Die Fünfte kann ich auch überspringen. Dann hat noch unser gesamter Jahrgang als Versuchsklasse die 11. ausgelassen. Meine Mitschüler waren drei bis vier Jahre älter als ich.
SPIEGEL: Hattest du Schwierigkeiten in der Klasse - wegen des Altersunterschiedes?
Tizabi: Mit den Mädchen war es immer okay. Und durch das Kurssystem der Oberstufe sind weitere Freundinnen dazugekommen. Aber die Jungs haben mich nie so ganz akzeptieren können. Warum, weiß ich nicht. Richtigen Neid habe ich aber nicht zu spüren bekommen.
SPIEGEL: Wie geht es jetzt nach dem Abitur weiter bei dir?
Tizabi: Ich möchte Medizin studieren, um später in Forschung und Lehre zu arbeiten. Medizinische Forschung kann Leben retten, das ist besonders wichtig. Deshalb finde ich auch, dass das ein tolles Berufsbild ist. Studieren würde ich am liebsten in Heidelberg. Die Uni soll dort ja besonders für Medizin sehr gut sein. Dafür muss ich mich aber über die ZVS bewerben.
SPIEGEL: Gibt es da bürokratische Widerstände, weil du noch nicht volljährig bist?
Tizabi: Für die Anträge bei der ZVS ist mein Alter kein Problem. Und von den Unis, mit denen ich bisher gesprochen habe, kamen überall nur positive Reaktionen. Aber wenn ich eine Zusage für den Studienplatz habe, muss mein Vater mit zur Immatrikulation kommen und unterschreiben.
SPIEGEL: Nutzt du die Sommerferien zum Lernen, oder hast du noch etwas Freizeit vor dem Studium?
Tizabi: Normalerweise lerne ich nicht unbedingt mehr als andere. Aber mich interessiert vieles, ich habe zum Beispiel bei der Biologie-Olympiade mitgemacht, aus reinem Interesse. In diesem Sommer habe ich aber noch keine besonderen Pläne. Ich lese gern, vor allem auf Englisch, und schreibe auch selbst englischsprachige Geschichten. Auch die Harry-Potter-Bücher habe ich alle auf Englisch gelesen. Die sind zwar gut, aber das wird übertrieben. Das ist ja nur ein Buch wie jedes andere auch.
Das Interview führte Anwen Roberts