Donnerstag, Januar 19, 2006

Chirac droht Terrorstaaten mit Atomschlägen

Inmitten der Krise um das iranische Atomprogramm hat Frankreich Terrorstaaten unverhohlen mit dem Einsatz von Atomwaffen gedroht. Präsident Jacques Chirac definierte damit die französische Doktrin der Abschreckung neu.

Ohne den derzeitigen Streit um das iranische Atomprogramm direkt anzusprechen, prangerte Chirac "gewisse Staaten" an, die versucht seien, sich "unter Bruch der Verträge mit Atomwaffen auszustatten". Nach der neuen Strategie soll die französische Atomstreitmacht aus see- und luftgestützten Truppen künftig "flexibel" eingesetzt werden können.

"Gegen eine Regionalmacht können wir nicht nur die Wahl zwischen Untätigkeit und Vernichtung haben", sagte Chirac zur Begründung. Ein französischer Vergeltungsschlag könne sich vielmehr direkt auf die "Machtzentren und die Handlungsfähigkeit" eines solchen Staates richten. Bislang sieht die französische Strategie der Abschreckung vor, Atomwaffen "vollständig und endgültig" einzusetzen; es wird also mit einer totalen Vernichtung des gegnerischen Landes gedroht.

Der Einsatz der französischen Atomstreitmacht sei grundsätzlich möglich, wenn Frankreichs "vitale Interessen" durch eine fremde Macht bedroht würden, erinnerte Chirac. Was genau unter diese "vitalen Interessen" falle, sei eine Entscheidung des Staatschefs. So könne unter anderem Beistand gegenüber Verbündeten als "vitales" Interesse Frankreichs definiert werden, das einen Einsatz der Waffe rechtfertigt. Auch die "strategische Versorgung" könne betroffen sein, sagte Chirac offenbar unter Anspielung auf die jüngsten Streitigkeiten um Energieversorgung.

Der SPD-Außenexperte Niels Annen kritisierte Chiracs Drohung: "Unsere Politik besteht nicht darin, Szenarien zum Einsatz von Atomwaffen zu entwickeln", sagte Annen der Netzeitung. "Unser Szenario bleibt die Abschaffung von Atomwaffen." Der Grünen-Sicherheitsexperte Winfried Nachtwei wies Chiracs Äußerungen als "absolut abenteuerlich" und "unverantwortlich" zurück. Der französische Staatschef ermuntere auf diese Weise so genannte Schurkenstaaten, "sich durch eigene Atomwaffen unangreifbar zu machen".