Offener Brief
Haftentlassung von
Kazem Darabi und Abas Rayel
im Fall Mykonos
Sehr geehrte Damen und Herren,
im Namen der Freiheit und Gerechtigkeit appellieren wir an Sie, uns Angehörige der Opfer des Mykonos-Attentats zu unterstützen.
In Zeiten der angeblich strikten Terrorismusbekämpfung seitens der deutschen Regierung und der Diskussion um die erfolgreiche Integration von Migranten, fühlen wir uns als deutsche Staatsbürger, seitens der Justiz, aber vor allem seitens der Bundesregierung, paradoxen Entscheidungen ausgesetzt.
Hintergründe:
Am 17. September 1992 tötet ein Killerkommando im Auftrag der iranischen Machthaber vier iranische Oppositionelle im Berliner Restaurant Mykonos.
Seit der Inhaftierung der Mykonos-Attentäter Kazem Darabis und Abas Rayels und insbesondere seit dem Mykonos-Urteil vom 10.April 1997, unternahm die iranische Regierung zahlreiche Versuche, Kazem Darabi durch politischen Druck auszutauschen.
Angebote aus Teheran diesbezüglich waren die Aufklärung des Todes / Aufenthaltes des israelischen Flugzeugpiloten Ron Arad, die Freilassung Helmut Hofers, der wegen „unsittlicher Beziehung zu einer Iranerin“ zwischen September 1997 (nur fünf Monate nach dem Mykonos-Urteil) und Dezember 1999 in Teheran im Evin-Gefängnis inhaftiert war und ursprünglich zum Tode durch Steinigung verurteilt wurde (siehe Details unter http://www.tagesspiegel.de/politik/;art771,2137533) und kürzlich die Freilassung Donald Kleins, der in Teheran eine 18-monatige Haftstrafe verbüßen musste, weil er auf einem Angeltrip von Dubai aus, iranische Gewässer befahren hatte. Im Le Figaro-Online vom 27.06.2007 ist folgende Aussage Kleins abgedruckt:
„Diese Sache scheint übrigens nichts mit der gegnerischen nuklearen Meinungsverschiedenheit zwischen Iran und Europa zu tun zu haben, obwohl man dies so lange vermutete. Laut Donald Klein handelte es sich vielmehr um einen Kuhhandel.
Kürzlich in der deutschen Presse über seine Befreiung interviewt, verwies der deutsche Tourist auf den iranischen Willen, ihn gegen Kazem Darabi auszutauschen, Mörder von vier iranischen Oppositionellen, getötet 1992 auf Anordnung des iranischen Geheimdienstes in einem Berliner Restaurant und in Deutschland zu lebenslanger Haftstrafe verurteilt.“
(freie Übersetzung, Quelle: http://www.lefigaro.fr/international/20070627.WWW000000521_stephane_lherbier_le_vrai_recit_de_sa_detention_iranienne.html)
Über weitere Austauschsangebote und Aufforderungen zur Freilassung Darabis von Seiten der Regierung im Iran wurde in der Presse nichts berichtet, was jedoch nicht bedeutet, dass es keine weiteren gab.
Rechtliche Fakten zur Freilassung der Mykonos-Attentäter:
Im Strafgesetzbuch ist verankert, dass Menschen ausländischer Staatsbürgerschaft, die in deutschen Gefängnissen inhaftiert sind, nach zwei Drittel ihrer Haftstrafe in ihr Heimatland abgeschoben werden können, um dort den Rest der Haftstrafe zu verbüßen.
In diesem speziellen Fall war jedoch das Herkunftsland Iran, der Auftraggeber der Morde.
An diesem Punkt sind folgende Auszüge aus dem Mykonos-Urteil und aus der Aussage des ehemaligen Staatspräsidenten Banisadr, von hoher Bedeutung:
Auszug aus dem Mykonos-Urteil vom 10.04.1997:
„Kazem Darabi Kazerounis Schuld wiegt besonders schwer. Er hat…….an der Vernichtung von vier Menschenleben mitgewirkt. Durch die Tat hat er sich als willfähriger Diener der im Iran herrschenden Machthaber erwiesen. Dem Senat ist nicht bekannt, dass er vor der Tat auch nur einen Anflug von Skrupeln gezeigt hat, was ein milderes Licht auf seine Persönlichkeit hätte werfen können.“ (Mykonos-Urteil Seite 385, Punkt 4)
Weiterhin heißt es im Urteil:
„Dagegen ist durch das Ergebnis der Beweiserhebung offenbar geworden, dass iranische Machthaber terroristische Anschläge im Ausland nicht nur billigen und ihren Tätern unverständlicherweise Ehrungen zukommen lassen, sondern dass sie selbst solche Anschläge gegen Menschen ins Werk setzen, die ihnen allein wegen der politischen Einstellung missliebig geworden sind. Ihre politischen Gegner lassen sie um der reinen Machterhaltung willen liquidieren.“ (Mykonos-Urteil Seite 361, Punkt 3)
Aussage des ehemaligen Staatspräsidenten Abol-hassan Banisadr am 23.08.1996 im Mykonos-Prozess:
„Ich habe eine Liste von 13 Personen, die in den weltbekannten, berühmten Terroranschlägen beteiligt waren….Diese Personen haben alle im iranischen Regierungssystem hohe Posten bekommen. Zum Beispiel wurde Kourosh Fouladi, der in England zu 12 Jahren Haft verurteilt worden war, nach seiner Freilassung Abgeordneter im Parlament. Weiterhin wurde Mehrdad Kokabi, der wegen Brandstiftung an einem Buchladen in England verurteilt worden war, Berater im Bildungsministerium.“
Fazit:
Rechtlich ist die Abschiebung nicht anfechtbar, da Angehörige der Opfer bzw. Nebenkläger keine Rechtsposition diesbezüglich haben.
Wichtig ist die politische Anfechtbarkeit: Das Gesetz, dass Ausländer nach zwei Dritteln der Haft abgeschoben werden können, wurde ursprünglich zur Entlastung deutscher Gefängnisse verabschiedet. Nicht jedoch, wenn ein Täter im Auftrag derjenigen Regierung gehandelt hat, zu der er abgeschoben werden soll.
Emotionales:
Nicht nur für die Angehörigen der Opfer, sondern für alle freiheitsliebenden Iraner, ist diese, vom deutschen Justiz-und Innenministerium geschickt eingefädelte Abschiebung ein Schlag ins Gesicht. Es geht nicht darum, dass die Täter ihr gesamtes Leben im Gefängnis verbringen sollen, denn dieser Protest hat nichts mit Rache zu tun. Für uns bedeutet diese Form der Freilassung, denn um nichts anderes handelt es sich in diesem Fall, eine Beugung seitens Deutschlands vor dem iranischen Staatsterrorismus. Wir kritisieren zudem die Doppelmoral seitens der Bundesregierung und der Justiz, da sicherlich eine Abschiebung der Attentäter nach nur zwei Dritteln Haft nicht zustande gekommen wäre, wären die Opfer des Attentats deutscher Herkunft gewesen.
Das Ergebnis ist ein großes Ohnmachtgefühl gegenüber beiden Seiten: der tyrannischen Regierung im Iran und der deutschen Regierung, die angeblich seit Jahren dem internationalen Terrorismus den Kampf angesagt hat (bedenke Innenminister Schäubles Sicherheitskonzept), wenn es um politische Interessen geht, jedoch nicht standhält.
Wir rufen alle Menschen, die im Namen der Menschenrechte ein Zeichen setzen und ihre Solidarität äußern möchten auf, diesen offenen Brief zu unterzeichen, ganz gleich welcher Herkunft oder mit welchem politisch-gesellschaftlichen Hintergrund.
Sara Dehkordi / Schohreh Baddii
16.07.2007