Nationales "Vertrauen"
und
Wahl der Qual
im „Gottesstaat“!
Mahdi Karrubi, 68, hat schon bessere Zeiten erlebt. Dieser halbvolle Kinosaal im Nordwesten Teherans ist für den islamischen Würdenträger mit dem Titel eines Hodschatolislam eine schwere Schmach. Als Präsident des „Parlaments“ in Teheran, war Karrubi bis vor vier Jahren einer der höchsten Amtsträger der „Republik“, Verehrung en masse inklusive. Auch als Präsidentschaftskandidat wurde der Turbanträger vor drei Jahren noch frenetisch bejubelt. Sieger im Kampf um die Gunst der Wähler aber wurde letztlich „überraschend“ der Eiferer Mahmud Ahmadinedschad. Und in dieser Woche füllt ein Karrubi-Auftritt noch nicht einmal ein größeres Filmtheater.
Vielleicht dreihundert Männer und Frauen haben sich im "Arikeh Iranian", im Nordwesten der Hauptstadt, eingefunden, um einem der prominentesten Politiker des „Gottesstaates“ zuzuhören.
Und weil Wahlkampf ist und Karrubi den „sogenannten Reformern“ zugerechnet wird, dürfen auch Aufnahmen von Mohammed Chatami nicht fehlen. Dazu werden auch Fruchtsaft und Schokoladenküchlein gereicht.
"Nationales Vertrauen" heißt die Karrubi-Liste, Parteien im engeren Sinne kennt die Islamische Republik nicht.
Allein in Teheran erhoffen sich 30 Kandidaten, darunter auch einige weibliche Bewerber, von dieser Allianz den Einzug in die Volksvertretung.
Der Führer der Bewegung selbst will nicht noch einmal ins Parlament, dafür geht seine Frau Fatme ins Rennen. Ganz in Schwarz steht sie auf der Bühne, tief verhüllt bis auf das ovale Gesicht, ganz wie es sich für eine streng gläubige Muslimin gehört. Sie habe "Gefängnisse zu Krankenhäusern gemacht" erfahren die Anwesenden. Und ganz bestimmt werde sie sich auch für die Rechte der Frauen einsetzten. Und natürlich verdanke sie viel ihrem Mann. Das reicht für kräftigen Applaus. Ob es auch zum Einzug ins Parlament langt, ist fraglich.
Denn um die 290 Sitze im Madschlis „bewerben“ sich über 4000 Kandidaten. Die meisten zählen zu einer der drei großen Strömungen: Im konservativen Lager treten die "Prinzipientreuen" um Staatschef Ahmadinedschad gegen die "Kritischen Prinzipientreuen" um den ehemaligen Atomunterhändler Ali Laridschani und den Teheraner Bürgermeister Mohammed Ghalibaf an. Diesem rechten Flügel steht eine eher unverbindliche große Koalition von 21 Gruppen aus Reformern und konservativen Pragmatikern gegenüber. Sie scharen sich etwa hinter dem ehemaligen „Präsidenten“ Mohammed Chatami oder politischen Urgesteinen wie Karrubi.
Die Stimme heiser, aber „machtvoll“, die Gesten spärlich, doch "entschlossen“, berichtet Karrubi von seinen Jahren mit dem "großen Imam" Chomeini, als reiche die einstige Vertrauensbeziehung zum Revolutionsführer, um am Freitag die Kandidaten auf seiner Liste zu wählen. Politische Position bezieht Karrubi kaum, beschränkt sich auf wiederholte Appelle, für ein "starkes Parlament" zu stimmen: "Wir müssen alle wählen gehen", ruft Karrubi in den Saal. Wie viele Kandidaten des eher „regierungskritischen Flügels“ wirkt auch der Frontmann Karrubi letztlich profillos, zahnlos, hilflos. Nicht nur wegen der Gedenkreden auf die Märtyrer haftet der Veranstaltung etwas geradezu Tragisches an.