Art.iS präsentiert:
Akbar Behkalam,
ein iranischer Maler aus Berlin
oder ein Berliner Maler aus dem Iran.
Akbar Behkalam lebt seit 1976 in Berlin, wohin er nach der Flucht aus dem Iran kam.
Bis in die Neunziger Jahre setzt er sich in seinen Arbeiten sehr direkt mit politischen Themen auseinander: Demonstrationen, Straßenszenen, soziale Realitäten im Berlin der 70er und 80er Jahre. Menschenmassen, ineinanderfließende und verschachtelte Körper, Protest, Aufruhr, Bewegung. 1981 zeigt das Künstlerhaus Bethanien Berlin diese Arbeiten in einer ersten großen Einzelausstellung.
Auch die politische Situation in seinem Heimatland reflektieren seine Bilder dieser Zeit: so erzählt die Serie „Persepolis“ von Freiheitsträumen und Staatsgewalt vor der Revolution, der Zyklus „Gerechtigkeit in Allahs Namen“ artikuliert den Schmerz über die enttäuschten Hoffnungen nach der Revolution. Tod, Gewalt, Unterdrückung sind die Themen dieser Jahre.
1987 widmet die damalige Staatliche Kunsthalle Berlin dem Künstler eine weitere große Einzelausstellung.
Auch in den dort ausgestellten Arbeiten steht eine Revolution im Vordergrund: die deutsche Revolution von 1848. Es mag zunächst verwundern, dass ein iranischer Künstler, der seit 1976 in Deutschland lebt, sich mit einer deutschen Revolution beschäftigt, doch:
Akbar Behkalam:
„Ich habe mir oft ein Thema gewählt und dann über dieses gearbeitet. ‚1848’ interessiert mich als eine Zeit, in der eine vielschichtige Bewegung auf Veränderung drängte, in der scheinbar erstarrte, einengende gesellschaftliche und politische Ver-
hältnisse in Bewegung gerieten. Es wurde versucht, den Traum von der Freiheit zu leben. Und dieser Traum lebt weiter, überall.
Mich interessieren beispielsweise besonders die Themen Gewalt, Unterdrückung, Bewegung, Veränderung. Mich interessieren die Geschichte und die Gegenwart des Landes, in dem ich geboren wurde und lange lebte, aber auch die Gegenwart und damit auch die Geschichte des Landes, in dem ich seit über 10 Jahren lebe. Sicherlich interessieren mich diese Themen auch deshalb, weil ich wissen will, wer ich bin, wo ich hingehöre.
Viele Leute denken, wenn sie meine Bilder sehen, ich sei ein politischer Maler. Ich kann aber nur sagen, ich bin ein Maler, kein Politiker. Sicherlich sollen meine Bilder etwas sichtbar machen. Vielleicht machen meine Bilder Politik, ich weiß es nicht, das ist eine ganz andere Sache. Wenn ich male, gehe ich nur von meinen Gefühlen aus. Ich bin eben betroffen, z. B. über das was im Iran geschieht. Ich muß über dieses furchtbar harte Thema ein Bild malen. Die Leute müssen sehen können, was wichtig ist. Ein Bild muss aber immer erst ein Bild sein. Dann kommt der Inhalt. Der ist natürlich genauso wichtig. Oder besser gesagt: Bild und Inhalt müssen gleiches Gewicht haben.“
Es folgen Einzel- und Gruppenausstellungen in San Francisco, Los Angeles, Sao Paulo, Rio de Janeiro.
Behkalam beginnt, regelmäßig nach Brasilien zu reisen, um dort zu arbeiten und auszustellen. 1991 verlegt er sein Atelier von Berlin-Kreuzberg ins Brandenburger Umland, 1994 vollendet er sein großes, insgesamt drittes Wandgemälde gegenüber dem Innenministerium in Berlin.
Mit den Ortswechseln verändert sich auch seine Malerei: sie ist nun weniger politisch, dafür privater und abstrakter, aber nicht weniger engagiert.
„Man könnte es als die Hinwendung zum Privaten, nicht aber zum Alltäglichen beschreiben. Dies ist keine Abkehr vom sozialen und politischen Impuls dieser Arbeit, vielmehr ist es eine neue Formulierung, die Akbar Behkalams künstlerischen Prägungen entspricht. Bewegung bleibt das zentrale Motiv, aber nicht mehr die des Kampfes und der Auseinandersetzung, nicht mehr die der hart widerstreitenden Kräfte, sondern die Bewegung aufeinander zu – im Sinne einer formalen und koloristischen Harmonisierung. War vorher die Freiheit ein Thema der Sehnsucht, so tritt sie nun als Substanz der künstlerischen Arbeit an sich in Erscheinung.
Die Arbeit in Brasilien hat seine aktuelle Malerei nach eigenem Bekunden stark beeinflußt. Nicht nur das Erlebnis großartiger Natur, winterlicher Wärme und südlichen Lichts, sondern auch eine soziale Erfahrung der Bewegung unterschiedlicher Welten spiegeln sich in seinen neuen Bildern. Seither hat er eine große Zahl von Werken geschaffen, in denen die früheren Themen aufgehoben sind. Diese Bilder sind souveräne Zeugnisse des inneren Berührtseins von den Ereignissen der Zeit.
Wenn Akbar Behkalam sich heute das Material seiner verdichteten Malereien in Form visueller Tagebücher aus Brasilien holt, so ist das weniger ein Zeichen interkultureller globaler Aktivität als vielmehr eine Projektion seines Wissens und seiner Erfahrung auf die Begegnung mit einem Licht und einer Landschaft, die zu seiner Jugend in einer gewissen Beziehung stehen mögen. Die äußeren Räume der künstlerischen Arbeit haben sich enorm geweitet. Vielleicht war das die Voraussetzung, dass dieser lebens-, sinnen- und bewegungsfreudige Künstler den eigenen Ort seiner Kunst erst relativ spät genau bestimmen konnte. ´Nach dem Schweren kommt das Leichte`, hat er gesagt. Aber er weiß natürlich, dass in der Kunst das Leichte das eigentlich Schwere ist.“
Zusammenfassung der Einleitung von Matthias Flügge, Vizepräsident der Akademie der Künste Berlin-Brandenburg, für den 2004 erschienen Katalog „Grenzen überschreiten“ und der Interviews mit Beate Winkler, Direktorin des IUMC, einer unabhängigen Einrichtung der EU.