Freitag, Dezember 16, 2005


Unternehmen fürchten Iran-Sanktionen


von Melanie Amann, Berlin


Deutsche Unternehmen fürchten die Diskussion um mögliche Sanktionen gegen das Mullah-Regime im Iran. Das Land ist der wichtigste deutsche Handelspartner im Nahen Osten - mit wachsenden Aussichten.


"2005 war ein Rekordjahr für die deutsch-iranischen Wirtschaftsbeziehungen", sagte Michael Tockuss von der Deutschen Außenhandelskammer in Teheran am Donnerstag. Der Deutsche Industrie- und Handelskammertag hat errechnet, dass die deutschen Exporte nach Iran allein von Januar bis Mai 2005 einen Umfang von 1,8 Mrd. Euro erreicht haben. Das bedeutet einen Zuwachs von mehr als 37 Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum. Bis Ende 2005 wird mit 4,8 Mrd. Euro gerechnet.
Die jüngsten israelfeindlichen Äußerungen des iranischen Präsidenten Mahmud Ahmadinedschad könnten die Aussichten trüben. Staats- und Regierungschefs in aller Welt debattieren darüber, ob es genügt, das Regime nur mit Worten zu strafen. Schon der Streit über das iranische Nuklearprogramm hatte die Frage von Wirtschaftssanktionen aufgeworfen.
Entsprechend bedeckt halten sich die Unternehmen, was die politische Lage angeht. "Es wäre nicht sinnvoll, Konsequenzen aus der aktuellen Entwicklung zu ziehen", sagte Tockuss. Allerdings gehe er davon aus, dass die Unternehmen das heikle Thema gegenüber ihren Mitarbeitern oder Geschäftspartnern durchaus aufbringen würden. "Wir müssen zeigen, wie die Äußerungen bei uns in Deutschland ankommen und dass sie das Vertrauen in das Land nicht erhöhen ", sagte er. Seiner Erfahrung nach liege die gut ausgebildete, jüngere Bevölkerungsschicht nicht auf der Linie Ahmadinedschads.
Zurückhaltung in der Öffentlichkeit
Die meisten Investoren und Exporteure wollen sich dieser Tage nicht über ihr Engagement in Iran äußern. "Man verbrennt sich zu schnell den Mund", sagte ein Unternehmer, der seinen Namen nicht in der Zeitung lesen möchte. "Seit Jahren hat die deutsche Wirtschaft zu Iran sehr gute Beziehungen, wenn auch mit vielen Höhen und Tiefen", sagt Helene Rang, Vorstandsmitglied des Nah- und Mittelostvereins, der deutsche Wirtschaftsinteressen in der Region fördert. Mehr wollte sie nicht sagen.
Wer sich überhaupt inhaltlich äußert, der berichtet, dass die Außenpolitik des iranischen Hardliners keinen Einfluss auf die unternehmerischen Entscheidungen habe. "Sie haben da unten ein Volk von 75 Millionen Menschen. Die müssen versorgt werden, brauchen Arbeitsplätze und eine funktionierende Infrastruktur", sagte ein Unternehmenssprecher. "Warum sollten wir ihnen nicht helfen? Sanktionen treffen die falschen." Ein anderer Unternehmenssprecher winkte ab: "Es wird ohnehin zu keiner Einigung auf Sanktionen kommen. Warum sollten wir erledigen, was sich die Politik nicht traut? "
Im Gegensatz zu den Handelsbeziehungen sind die deutschen Investitionen in Iran gering. 2004 betrugen sie knapp 60 Mio. Euro. Mehr Sorgen als mögliche Wirtschaftssanktionen macht den Investoren, dass seit dem Amtsantritt von Präsident Ahmadinedschad eine Welle von Neuberufungen durch alle Behörden rollt. Auf allen Hierarchieebenen werden die bisherigen Funktionsträger durch Getreue des Präsidenten ersetzt - das lässt die Mühlen der Bürokratie noch langsamer mahlen.
2004 ist es dem Mullah-Regime zweimal gelungen, die ausländischen Wirtschaftspartner zu schockieren: Erst wurde der neue Flughafen in Teheran überraschend und mit Waffengewalt geschlossen. Wenig später bremsten die Konservativen im Parlament einen türkischen Joint-Venture-Partner bei der Privatisierung des Mobilfunkmarkts aus. Bis dahin hatte Teheran alles daran gesetzt, Investoren ins Land zu locken. Ein Investitionsschutzgesetz wurde erlassen, das Steuerrecht reformiert und ein privater Bankensektor eröffnet. Schließlich müssen pro Jahr bis zu 800.000 Arbeitsplätze geschaffen werden, damit die Arbeitslosenquote nicht die offiziell genannte Zehn-Prozent-Marke übersteigt.
Die größten Chancen bietet für deutsche Firmen der petrochemische Sektor, den Iran auf einen international konkurrenzfähigen Standard bringen will. Das gleiche gilt für die Transportwege, die Wasser- und die Energieversorgung. So liegen auch mehr als zwei Drittel der deutschen Exporte nach Iran im Bereich Maschinen- und Anlagenbau für die petrochemische Industrie und die Kfz-Industrie.


Financial Times Deutschland